Heimatverein Bösensell
Berichte zu unseren Veranstaltungen
Kurzweilige und hochinteressante „Glockenkunde“
Bis auf den letzten Stuhl besetzt war am Sonntagnachmittag (20. Oktober 2024) der Saal des Gasthauses „Zur Krone“. Zu einer „Glockenkunde“ des Heimatvereins Bösensell hatten sich sogar einige Interessierte aus Nachbarorten eingefunden.
Auf das Thema eingestimmt wurde das Publikum mit Ausschnitten aus einem 20 Minuten langen Videofilm, den ein junger Mann aus dem Raum Osnabrück gedreht hatte und der seit fast einem Jahr im Internet auf „YouTube“ zu sehen (und vor allem zu hören) ist. So bekamen die Teilnehmenden einen ersten Eindruck von den insgesamt sechs Kirchenglocken der katholischen Kirche St. Johannes Baptist.
Eugen Kölker hielt einen kurzen Vortrag über die bis nach China zurückreichende ca. 5000 Jahre alte Geschichte von Glocken. Dabei wies er auf deren Ausbreitung in Asien, Nordafrika (Ägypten) und Europa in Antike und Mittelalter hin und informierte die Anwesenden über die riesige Anzahl unterschiedlicher Funktionen von Glockengeläut, deren Bandbreite sich noch heute von religiösen bis zu praktischen Zwecken erstreckt. Auf das wiederholte Einschmelzen zahlreicher Glocken zu Rüstungszwecken (z.B. während der napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts oder im Zweiten Weltkrieg) wies der Vortragende ebenfalls hin. Glocken, so Eugen Kölker, seien aber auch Symbole von Freiheit und Hoffnung und haben eine hohe integrative Wirkung.
Manfred Große-Höckesfeld und Matthias Foschepoth informierten das Publikum anschließend über den Aufbau des Bösenseller Glockenturms, die dort befindlichen sechs Glocken (deren älteste aus dem Jahre 1504 stammt) sowie deren Anbringung im Westturm von St. Johannes Baptist und die heutige Läutetechnik. Auch auf die unterschiedlichen „Schicksale“ einiger zu Kriegszwecken entfernter Glocken wurde hingewiesen. Eine von ihnen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unversehrt auf einem riesigen „Glockenfriedhof“ im Hamburger Hafen wiedergefunden und nach Bösensell zurückgebracht. Illustriert wurden die Ausführungen mit zahlreichen Innenaufnahmen vom Kirchturm. Ludger Diercks, der als Kind nahe der Kirche in einem inzwischen abgerissenen Haus aus dem 17. Jahrhundert gewohnt hatte und mit seiner Frau aus Warendorf zu der Veranstaltung angereist war, erläuterte als Sohn eines ehemaligen „Glöckners“ von Bösensell, wie die Glocken noch vor ca. 70 Jahren mit einem Fußpedal betätigt wurden. Prof. Dr. Detlev Dormeyer wies auf die unterschiedlichen, miteinander harmonierenden Tonarten der sechs Glocken hin und informierte die Anwesenden auch über die Funktion des Westturms als „Fluchtturm“ für die Bösenseller Bevölkerung in früheren Jahrhunderten (z.B. in Kriegen oder bei Raubzügen).
In einem ausführlichen Bildervortrag präsentierte Matthias Foschepoth einen Rückblick auf die Entstehung der beiden jüngsten Kirchenglocken im Jahre 1988. Eine Gruppe von Bösensellern war damals eigens nach Gescher gefahren, um in der dortigen Glockengießerei dem faszinierenden Produktionsprozess beizuwohnen. Die fertigen Glocken wurden schließlich in Bösensell vom damaligen Pfarrer Wilhelm Geier geweiht, in einem aufwendigen Verfahren hochgezogen und im Westturm der Kirche an ihren Bestimmungsorten angebracht. Den Anwesenden wurden während dieses Vortrags zahlreiche interessante technische Details präsentiert.
Die als Küsterin in der Bösenseller Kirche tätige Beate David erklärte schließlich dem Publikum die derzeitige Läuteordnung und überraschte dabei mit sehr differenzierten Ausführungen. Den meisten Anwesenden dürfte vorher kaum bewusst gewesen sein, was es alles auch bei der heutigen Computersteuerung des Geläuts zu beachten gibt und wie groß die Unterschiede zwischen den verschiedenen „Läuteanlässen“ sind.
Im Anschluss an die ca. 100 Minuten lange Informationsveranstaltung in der Gaststätte „Zur Krone“ (die übrigens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert als Küsterhaus fungiert hatte) begaben sich die Teilnehmenden auf den westlichen Abschnitt des Bösenseller Kirchplatzes, um von Beate David den Klang der sechs verschiedenen Glocken vorgeführt zu bekommen.
Siegfried Thielen vom Kirchenvorstand ermöglichte schließlich eine Turmbesteigung für solche Interessenten, die sich den Aufstieg über mehrere (teils hölzerne) Treppen und Leitern zutrauten. Im Inneren des Westturms konnten sie sich dann ein unmittelbares Bild von den sechs Bösenseller Glocken und deren Anbringung machen. Werner Welslau aus Ottmarsbocholt, der mit seiner Frau zu dieser „Glockenkunde“ angereist war, fügte noch hochinteressante Ausführungen zu einer alten (mechanisch betätigten) Turmuhr hinzu.
Die insgesamt zweieinhalbstündige Veranstaltung des Heimatvereins Bösensell dauerte zwar wesentlich länger als vorher geplant, war aber mit ihrer Fülle der präsentierten Informationen und ihrem Abwechslungsreichtum sehr kurzweilig und wurde von zahlreichen Teilnehmenden als in jeder Hinsicht gelungen gepriesen.
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